Hallo Levke,
danke für den Tipp, habe ihn gestern weiter gestreut.
Mir fällt dazu noch folgendes, gut passendes, ein:
Der Bürgermeister einer Kleinstadt rief mich vor einigen Wochen an, vergab einen Auftrag zur Moderation zwischen Bauern, Bürgern, Biogasanlagen-Besitzern, Naturschützern (jeder Couleur). Deren Problem ist mittlerweile ein weit verbreitetes:
Die frühere Kulturlandschaft aus sanften Hügeln, Seen, Raps- und Getreidefeldern gibt es seit ca. 7 Jahren nicht mehr. Nun bestehen viele Hügel und Äcker aus Maisfeldern, Monokultur, wie kein wirtschaftlich denkender Bauer sie anlegen würde. Fünf Dörfer im Einzugsgebiet der Kleinstadt besitzen jeweils drei Biogasanlagen. Die Flächen mit Maisanbau wurden verpachtet an Menschen, die diese Anlagen füttern. Die Bauern freuen sich die ersten Jahre über die Pacht und sind, wenn die Pächter weiterziehen, weil der Boden unfruchtbar geworden ist, entsetzt.
Diese Kleinstadt liegt in einer norddeutschen Urlaubslandschaft, manche sagen auch Postkartenidyll dazu.
Solche Probleme mehren sich in vielen mir bekannten Regionen.
Was passiert seit einigen Jahren?
- die Urlauber bleiben vermehrt aus und damit das Einkommen vieler Einwohner, u. a. Ferienhöfe, Pensionen, Hotels, Gastronomie
- den Bauern droht der Pleitegeier
- ohne Landwirtschaft aber keine Kultur- und keine "Urlaubs" - Landschaft
- wenig Bienen zum Bestäuben
- die Artenvielfalt nimmt rapide ab
- die Wildschweine nehmen rapide zu, trauen sich auch in Gärten und Städte
- Einwohner suchen sich woanders neue Arbeitsplätze und ziehen schlimmstenfalls ganz weg.
- Dörfer und Kleinstädte werden zu so genannten "Schlaforten". Viele Senioren.
- Und?
Jeder Region kann so etwas passieren.
Aber der Haken ist doch, WARUM so etwas passiert. Sind die Leute dümmer geworden oder gräbt sich der Tunnelblick ein oder...? Sehen nur noch wenige das "große Ganze" statt ihre eigenen kleinen Perspektiven und Tätigkeitsschwerpunkte?
- Biogas & Co. sind vielleicht wichtig, verschandeln aber auch vielerorts die Kulturlandschaften und mancherorts s. o. auch die Tourismusgebiete. Der Tourismus wiederum kontert mit mehr Einrichtungen á lá Centerparc und findet so auch Kunden. Wollen wir das?
- Es besteht unter Verbrauchern kein vernetztes Denken im Sinne des Naturschutzes und auch nicht unter Naturschützern. Beispiele:
Landwirtschaft – Naturschutz
Tourismus – Naturschutz
Handwerk – Naturschutz
Medizin – Naturschutz
Der Wert der Region wird oft erkannt, aber es fehlen weitgehend Solidarität und Eigenverantwortlichkeit unter den Naturschützern. Dadurch ergeben sich u. a. auch erhebliche Defizite im vernetzten Denken, s. o.
Ca. 70 % der Arten werden durch Nutzung der Kulturlandschaften geschützt. Nicht durch Anbau von Monokulturen (Biogas & Mais, etc.).
Passt zwar nicht zum Boden, aber mir fällt gerade das kommunale Beispiel von Wernigerode ein. Der Oberbürgermeister ist netterweise auch Naturschützer:-) und setzt sich im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten für den Naturschutz in seiner Stadt ein:
Wappentier Bachforelle = Mehrwert für Tourismus und Bürger durch
- Renaturierung und Installation von Fischtreppen (schöne Landschaft)
- auf Brücken stehen und gucken, ob man Forellen entdeckt (Highlight und Kommunikationsfördernd für Touristen und Bürger)
- Forelle im Bach schwimmend oder stehend (Erlebnis, "intakte Natur")
- Forelle als "Müllerin" auf dem Teller (essbar, seit Jahrhunderten beliebt, deutlich spürbarer Mehrwert)
Und was ist mit Boden? Nur Katastrophenmeldungen und wenig Bewusstsein in der Bevölkerung.